Bitte kein Trömmelche dieses Jahr
Ich weiß, es gibt keine „Vatermilch“. Aber wenn es sie gäbe, wäre mir mit ihr der Karneval eingeflößt worden. Denn mein Vater war ein echter Jeck. Als Mitglied in einem Karnevalsverein in meiner Heimatstadt saß er wahlweise mit Smoking und roter, strassbesetzter Kappe im Elferrat oder stand in fragwürdigen Roben mit der vereinseigenen Theatergruppe auf der Bühne. Unvergessen unter anderem sein Auftritt als Kleopatra. Dazu muss man wissen, dass er mit seinem Vollbart und seiner stämmigen Statur nicht gerade die Paradebesetzung für eine Frauenrolle war. Aber im Karneval ist ja alles erlaubt, was Kreischalarm auslöst. Und den gab es als jene spezielle Interpretation der ägyptischen Schönheit in einer Sänfte sitzend und anmutig winkend in den Saal getragen wurde.
Meiner Mutter waren solche Situationen immer peinlich. Aber ich fand es schon als Kind super spannend, was die Herren sich da so überlegten. Zu den Abendveranstaltungen durfte ich natürlich nicht mitgehen. Aber an einem Sonntagnachmittag in der Sitzungszeit gab es immer das „Fest für die reifere Jugend“, bei dem auch die „unreife Jugend“ dabei sein und sich den herrlichen Quatsch anschauen durfte.
Unheilbar mit dem jecken Virus infiziert, habe ich auch in späteren Jahren wenig Gelegenheiten ausgelassen, um Karneval zu feiern. Am liebsten von Altweiber bis Veilchendienstag. Oder frei nach den Räubern: Wenn et Trömmelche jing, stond isch parat! Besonders schön war die Zeit, in der ich in der Düsseldorfer Carlstadt wohnte. Hochparterre. Direkt am Zugweg. Rosenmontag saßen wir auf den Fensterbänken und helauten aus der ersten Reihe den Fußgruppen und Wagenbesatzungen zu.
Nach dem Zug war allerdings immer die ein oder andere Beule zu beklagen. Denn die Kamellewerfer fühlten sich angespornt, uns ihre süßen Gaben mit „Schmackes“, also mit viel Schwung, frei Haus zu liefern. Das Konfettimonster hat es aber nur einmal geschafft, uns die volle Ladung kleiner Papierfetzen in die Wohnung rieseln zu lassen. Nach einer langwierigen Putzaktion waren wir in den kommenden Jahren vorgewarnt und wussten dieses Ungemach mit vollem Körpereinsatz zu verhindern.
Heutzutage hat meine Feierfrequenz aus verschiedenen Gründen deutlich abgenommen. In diesem Jahr fällt sie sogar auf eine bisher nie dagewesene Null. Ich rede mir gerne ein, dass das nicht weiter schlimm ist. Frau wird ja auch älter und hier auf dem Dorf passiert ohnehin kaum etwas. Dieses Mantra stellt mich allerdings nur so lange ruhig, bis die Karawane vorbeizieht oder echte Fründe zusamme stehe. Dann fällt mir wieder ein, was für eine Superjeilezick das doch immer war. Daher bleibt das Radio in den nächsten Tagen abgeschaltet. Für meinen Seelenfrieden ist es besser, wenn der Trommler seine Stöcke gar nicht erst schwingt! Und nächstes Jahr bin isch wieder dabei. Prima!