Die Queen und ich

Foto: Privat

In diesen Tagen des Abschieds kommt mir der Titel des wunderbar skurrilen Romans von Sue Townsend wieder in den Sinn. Denn auch „Die Queen und ich“ hatten eine Beziehung. Also ich zu ihr und nicht umgekehrt. Von meiner Existenz wird sie wohl nie erfahren haben. Aber ich fühle mich ihr, ebenso wie vielen ihrer Familienmitgliedern, sehr verbunden.  

Diese Verbundenheit verdanke ich meinem Studentinnenjob – um hier korrekt zu gendern – in der Bildredaktion des Frauenmagazins „Echo der Frau“. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber es gab eine Zeit, wir sprechen hier über die frühen 1990er Jahre, da war es in Zeitungsredaktionen noch nötig, Fotos und Dias physisch zu archivieren. Tagtäglich kamen hunderte dieser Bilder bei uns an, wurden von unserem Bildchef vorsortiert und dann von mir in den entsprechenden Mappen der Stars und Sternchen abgelegt.  

Dem britischen Königshaus widmeten wir in diesem Archiv eine halbe Wand und damit die weitaus größte Abteilung. Es gab unzählige Hängeordner mit Titeln wie „Queen Portraits“, „Queen & Phillip“, „Queen & Diana“ „Diana & Charles“, „Queen, Diana & Charles“ und so weiter. Alles, damit das perfekte Bild schnell gefunden werden konnte, wenn die viel zitierten gut unterrichteten Kreise wieder einmal zu berichten wussten, dass im Hause Windsor ein Ehekrach tobte oder sich ein Baby ankündigte. Die Zeile „Diana & Charles – Hurra, ein Baby!“ hat es so oder ähnlich und immer wieder neu bebildert gefühlt 500 mal auf den Echo-Titel geschafft.  

Jahrelang mehrmals pro Woche trat ich meinen Sortierdienst auf der Adlerstraße in Düsseldorf an. Und dabei konnte ich die verschiedensten Gesichtsausdrücke, Outfits und Posen der Royals studieren. Ich sah eine glückliche Elisabeth mit Kopftuch im Garten von Balmoral, einen niedlichen William in Latzhose an Dianas Hand, einen grinsenden Phillip, dem vermutlich gerade wieder etwas sehr Böses über die scharfe Zunge gerutscht war. Zur Hochform liefen wir natürlich dann auf, wenn sich wieder einmal jemand von den Windsors ordentlich danebenbenommen hatte. Man erinnere sich nur an die intimen Telefonate zwischen dem heutigen Königspaar, Dianas Liebesbeichte oder Fergies Zehenlutscher. So aufregend, so verrucht!  

Kurz gesagt, ich hatte quasi mein persönliches analoges Instagram lange bevor es Social-Media-Kanäle gab. Und die Menschen auf den Fotos wurden ein bisschen zu – heute würden man sagen virtuellen – Familienmitgliedern. Dementsprechend gehöre ich auch zu denjenigen, die noch genau wissen, was sie gerade machten, als sie von Dianas Tod erfuhren. Ich saß zu Hause vor dem Fernseher, als die erste Meldung hochkam. Spontan ging ich im Kopf die mir ebenfalls recht gut vertrauten skandinavischen Königshäuser durch, auf der Suche nach einer hochbetagten Prinzessin Diana, die nun verstorben war. Dass von „meiner Diana“ die Rede sein sollte, war einfach undenkbar.  

Nun gibt es eine weitere Todesnachricht, von der ich immer wissen werde, wie sie mich erreichte. An jenem Nachmittag hatte ich ausnahmsweise, durch viel Arbeit diszipliniert, alle Push-Nachrichten ignoriert. Und so war es der beste Sohn von allen, der mit den besorgniserregenden News aus Schottland in mein Büro kam. Der BBC Livestream brachte uns wenig später die traurige Gewissheit.  

Dazu muss ich vielleicht noch erklären, dass ich keine Mühen gescheut habe, den Windsor-Virus von klein auf an die nächste Generation weiterzugeben. Schließlich braucht Frau jemanden im Haus, der mit ihr die neuste Staffel von „The Crown“ oder königliche Reportagen von Rolf Seelmann-Eggebert schaut. Vor allem, weil der Mann an meiner Seite ein solches Fernsehverhalten für äußerst fragwürdig hält.  

Auch heute sitzen Mutter und Sohn also, wenn auch nicht live, vor dem Fernseher und verfolgen die Beerdigung der großen europäischen Monarchin. Zum Glück gehen diesmal nicht zwei minderjährige Halbwaisen hinter dem Sarg her. Eine Kopfkino-Szene von Dianas Beerdigung, bei der ich immer noch kurz schlucken muss. Taschentücher werden wir trotzdem brauchen. Gut zu wissen, dass es meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen aus der Echo-Bildredaktion genauso geht. In den letzten Tagen haben wir unseren Gruppenchat mit jeder Menge Bildern, Anekdoten und anderen Erinnerungen gefüllt. Eine bessere Selbsthilfegruppe für trauernde Royalisten kann es nicht geben.  

Und nun ist es Zeit für Abschiedsworte. Sie stammen allerdings nicht von Sue Townsend, sondern von Paddington Bär: Your Majesty, thank you for everything!